Posts Tagged ‘Pete Seeger’

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (21)

13. April 2020

The Church Tower of Sand Rabbit Town

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everone,

läutet die Glocken!

Was Ihr hier auf dem Bild seht, ist mein Fensterblick aus dem Home Office. Deutlich zu erkennen der Kirchturm. Von dort läuten die Glocken in unserer beschaulichen Gemeinde. Die Glocken sind ja schon lange ein Symbol für die christliche Religion. Und passen damit inhaltlich bestens zum heutigen letzten Osterfeiertag. Sie sind aber auch immer wieder für die Verkündung von Nachrichten benutzt worden.

Quasi beides vereint der traurige Song „The Bells Of Rhymney“, den Pete Seeger auf der Basis des traurigen Gedichts des Walisen Idries Davis geschriieben hat. Davis dichtete den Text nach einem großen Grubenunglück und einem erfolglosen Generalstreik. Die Glocken der verschiedenen walisischen Orte verkünden traurige Wahrheiten bezüglich den Gründen schlechter Arbeits- und Lebensbedingungen.

Eine echte gnadenlose Countryschnulze ist der Song „The Three Bells“ von „The Browns“. Das Leben eines gottesfürchtigen Menschen in einem abgelegenen Tal wird anhand der Anlässe zum Glockenläuten erzählt: Geburt, Heirat, Tod. Schwere Kost, aber eine schöne Melodie. Die ist jedoch von Edith Piaf ausgeborgt. Sie hatte mit „Les Trois Cloches“ 1945 schon Erfolg. In Deutschland machte Gerhard Wendland 1949 „Wenn die Glocken hell erklingen“ daraus. Die Version der Browns stammt von 1959, die Aufnahme hier von 1965. Wir konnten 2012 Jim Ed Brown mit dem Song in der Grand Ole Opry hören.

Ein Glockenspiel-Kontrastprogramm dazu lieferte Bob Dylan 1964 mit „Chimes Of Freedom“. Seine Glocken sind metaphorisch, sie sind die Donnerschläge eines Gewitters, die für ihn die Glocken der Freiheit sind, die für die Unterdrückten geläutet werden. Die Version, die wir unten hören, hat Dylan 1998 mit Joan Osborne für den Soundtrack einer Dokumentation über die Sixties eingesungen.

Und zu guter Letzt dann doch ein Song, der offenbar religiöse Bezüge hat, aber von einigen Dylan-Deutern auch als „update“ von „The Times They Are A-Changin'“ und Chimes Of Freedom“ gesehen wird. „Nichts ist wirklich besser geworden für die Schwachen und Unterdrückten, also läutet die Glocken umso kräftiger“, könnte die Botschaft von Dylans „Ring Them Bells“ sein. Eine Botschaft, der man sich nur anschließen kann. Hier unten ist der Song zu hören in der Version von 1994 bei „The Great Music Experience“.

In diesem Sinne, schließen wir das Osterfest hier und melden uns morgen wieder aus dem weltlichen Alltag im Home Office.

Best
Thomas

Pete Seeger: The Bells Of Rhymney

The Browns:The Three Bells

Bob Dylan & Joan Osborne: Chimes Of Freedom

Bob Dylan: Ring Them Bells

„Von Newport nach Woodstock“-Tour gestartet

26. Juli 2019

Reges Interesse am Special Event „50 Jahre Pop & Protest“ des d.a.i. Tübingen

Vortrag in Tübingen, Photo Credits: Deutsch-Amerikanisches Institut Tübingen

Er war der Aufgalopp zu vier Veranstaltungen im zweiten Halbjahr 2019, die das Jubiläum „50 Jahre Woodstock“ zum Anlass nehmen, sich mit der Wirkung und der Perspektive der Protestkultur der 1960er Jahre zu beschäftigen und bei denen ich vortragen darf: Der Special Event „50 Jahre Pop & Protest“ des Deutsch-Amerikanischen Institutes in Tübingen am Freitag, 19. Juli. Im gut gefüllten Veranstaltungssaal des d.a.i Tübingen referierte ich zur Vorgeschichte, den Entstehungsbedingungen sowie Wirkung und Wirklichkeit des Woodstock-Festivals 1969. Katja Engelhardt und Vanessa Schneider berichteten über „Female Resistance in Pop Music“ heutzutage.

Vom Folk-Revival und „Dylan goes Electric“ über den „Summer Of Love“ zu Woodstock
Ausgehend von der These, dass die 1960er Protestkultur ihren Ursprung im Folk-Revival der späten 1950er Jahre hat, nahm ich das Publikum mit auf eine Zeitreise in die Hoch-Zeit der Protestsongs mit Pete Seeger, Joan Baez und Bob Dylan. Mit seiner Hinwendung zum Folk-Rock verlor die Folkbewegung ihren Avantgarde-Status und die Rockmusik mit intelligenten Texten, aber auch der Psychedelic-Rock, der oftmals nicht mehr als der Soundtrack zum eskapistischen Trip war, bestimmten die progressive Musikszene in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Während sich im „Summer of Love“ 1967 ein kurzes Zeitfenster für eine wirkliche Gegenkultur zum kriegführenden, konsumistischen und kapitalistischen Amerika öffnete, war diese politische Hippiebewegung bei Woodstock schon an ihrem Ende angekommen. Nun war auch Love & Peace schon unverbindlich zu konsumieren, und gab den vier Jungs aus Musik- und Finanzszene, die Woodstock organisierten, damit die Gelegenheit ein Festival aus Kommerzinteresse zu veranstalten.

Der historische Witz dabei war, dass das Festival nicht gewollt, sondern aufgrund organisatorischer Unzulänglichkeiten zum „Free Festival“ wurde und somit auch erstmal zu einem finanziellen Desaster für die Beteiligten führte. Aber dennoch, es lebe die kapitalistische Verwertungskette – später rechnete sich das Festival dann wegen Film-, Musik- und Merchandising-Rechten dann doch noch.

Woodstock 1969: Gleichzeitigkeit von Gegenkultur und Konsumismus
Während Bob Dylan vor der Hippie-Seligkeit floh und einige großen Bands wie die Stones oder die Doors das Festival aufgrund der vielen Unwägbarkeiten mieden, waren doch eine Reihe von hochkarätigen Acts dabei. Während die Mehrzahl die Love & Peace-Gefühle streichelte, gab es auch einige dezidiert politische Augenblicke wie Country Joe McDonalds Anti-Vietnam Hymne „Fixin‘ To Die Rag“ oder Joan Baez‘ Spottlied auf Ronald Reagan „Drug Store Truck Drivin‘ Man“. Weitere Ironie des Festivals war, dass Jimi Hendrix das vermeintlich schärfste Statement zum Vietnam-Krieg – die mit E-Gitarre verzerrte Fassung der US-Hymne „Star Spangled Banner“ – später gar nicht so verstanden haben wollte.

Reges Interesse an der Veranstaltung „50 Jahre Pop & Protest“, Photo Credits: Deutsch-Amerikanisches Institut Tübingen

Bei der abschließenden Diskussion erinnerten sich einige Zeitzeugen, wie wichtig diese Jahre für ihre Entwicklung als kritische Menschen waren. Und so lautet das Resümee des Vortrags denn auch: Ja, Woodstock war auch ein Ausdruck der Gegenkultur, die für ein paar Jahre durchaus gesellschaftliche Kraft erlangte. Aber es zeigte auch an, dass die Rockkultur zum Mainstream wurde, und sich damit hervorragend kompatibel zur kapitalistischen Konsumgesellschaft erwies.

„Female Resistance in Pop Music“
Wie sich politisch-gesellschaftlicher Protest in der heutigen Popmusik zeigt, führten anschließend die beiden BR-Redakteurinnen Vanessa Schneider und Katja Engelhardt aus. In einem Live Podcast zeigten sie anhand von Beispielen von berühmten Mainstream-Künstlerinnen wie Lada Gaga oder Beyoncé, aber auch von dem großen Publikum weniger bekannten Musikerinnen wie Alynda Lee Segarra wie sich Botschaften gegen Rassismus, Sexismus oder Gentrifizierung mittels Popmusik verbreiten lassen. Ein spannender und hörenswerter Vortrag!

Lehren ziehen für heutige gegenkulturelle Strategien
So bleibt das positive Fazit: Veranstaltungen wie die vom d.a.i Tübingen helfen uns, angesichts unserer heutigen Situation mit dem Vormarsch von Autokraten und Rechtsextremen und deren Absicht, die Errungenschaften der 1960er Jahre wieder abzuschaffen, die Vergangenheit einzuordnen und aus den daraus folgenden Schlüssen, Ausgangsbedingungen für eine gesellschaftliche und kulturelle Gegenwehr zu diesen Tendenzen auszuloten sowie Strategien zu diskutieren und umzusetzen.

Weitere Veranstaltungen der „Von Newport nach Woodstock“-Tour sind dann vom 16. bis 20. September in der Gustav Heinemann Bildungsstätte in Malente, am 6. November in der Reihe „Americana im Pädagog“ in Darmstadt sowie am 6./7. Dezember im Weiterbildungszentrum Ingelheim.

Die 1960er mal zwei

23. November 2018

2019: Pete Seeger wird hundert – Woodstock wird fünfzig

Zum 100. Geburtstag von Pete Seeger veranstaltet „Americana im Pädagog“ ein großes Tribute-Konzert

Kommendes Jahr fallen zwei Jubiläen an. Beide haben zu tun mit dem „anderen Amerika“. Und doch könnte das, wofür sie stehen, unterschiedlicher nicht sein.

Pete Seeger soll das Stromkabel mit der Axt zu durchtrennen versucht haben, so die Legende. Doch wenn Bob Dylan nicht bei Newport 1965 eingestöpselt hätte, wären die E-Gitarrengewitter von Jimi Hendrix‘ Fassung von „Star Spangled Banner“ bei Woodstock 1969 möglich gewesen? Wäre Woodstock überhaupt möglich gewesen?

Legenden der Sixties
Beide – Seeger und Woodstock – sind Legenden der Sixties. Doch während Seeger aus der alten linken amerikanischen Arbeiterbewegung kam und das politische Folk Revival Anfang der 1960er entscheidend beeinflusste, steht Woodstock für ein recht luftiges Love & Peace der Rock-Generation. Dylan schrottete höchst selbst 1965 mit seiner E-Gitarre das Folk-Revival. Am Ende des Jahrzehnts war das große Rock-Hippie-Spektakel Woodstock und Dylan war nicht dabei. Während Seeger zwei Jahre zuvor plötzlich sich von einer elektrischen Band begleiten ließ.

Wie hängt das zusammen und wofür stehen diese Jubiläen? Ich will dies kurz hier anreißen, weil mich diese beiden Jubiläen das ganze nächste Jahr bei meinen Seminaren und Konzerten beschäftigen werden.

Zwei Seiten des „anderen Amerika“
In seinem klugen Buch „Dylan Goes Electric! Newport, Seeger, Dylan And The Night That Split The Sixties“ arbeitet Elijah Wald sehr schön heraus, wofür die beiden Personen Seeger und Dylan stehen. Während Pete die große Depression miterlebte, in der Solidarität eine Tugend war, wuchs Bob als Baby-Boomer inmitten der prosperierenden 1950er Jahre auf. Beide stehen, laut Wald beide für zwei Seiten des anderen Amerika: Seeger für den solidarisch-politischen, Dylan für den individualistischen Gegenentwurf. Beide können analytisch sein und die Ursachen der Probleme benennen, aber Dylan wird ab 1964 den Teufel tun, für irgendeine Organisation oder Bewegung öffentlich einzutreten. Wenn er ab da noch Protestsongs schreibt, so sind sie 1965 nicht mehr tagespolitisch, sondern befassen sich mit der Autonomie des Individuums in der verwalteten Welt („Maggies Farm“), oder haben später in den 1970ern das Unrecht im Blick, das konkreten Personen wie „George Jackson“ oder „Hurricane“ Carter widerfahren ist.

1965 machte Dylan ein Fenster auf und eine Generation folgte ihm. Die Rock-Generation, die zu den herrschenden Zuständen opponierte, und größere Massen erreichte als die Folk-Generation. Mit dem Preis, weniger Präzise in der Kritik zu sein. Die Rock-Generation war heterogener als die Folk-Generation. Es gab politischen Underground, Sit- ins und neue Lebensformen, aber auch reines Partyfeeling, Pop und psychedelischen Spuk.

Woodstock ohne Dylan
Da war Dylan aber schon nicht mehr dabei. Er wurde Familienvater, spielte Countrymusik, und war entsetzt über die Pilgertourten der Freaks zu seinem Haus nach Woodstock. Sein individualistischer Protest richtete sich nun gegen den Love & Peace-Zeitgeist. Denn wenn er sich mit den gesellschaftlichen Zuständen wirklich beschäftigte, dann war er oftmals immer noch klarer als mancher Teilzeit-Hippie. Daher floh er regelrecht vor dem Massenereignis. Zwar hatte Woodstock seine klaren politischen Botschaften – man denke an Hendrix‘ Luftangriffsgewitter-Version von „Star Spangled Banner“, Joan Baez „Truck Drivin‘ Man“ und ihre Widmung des Liedes für Ronald Reagan sowie Country Joe McDonalds „I Feel Like I’m Fixin‘ To Die Rag“ – aber insgesamt überwogen Friede, Freude, Eierkuchen (der wackere Richie Havens mit „Freedom“) oder die Pose wie sie beispielsweise Janis „Rebel‘ Without a Cause“ Joplin zelebrierte.

Da war die ebenso bittere, wie fast schon logische Pointe, dass dem fröhlichen Woodstock-Spektakel die Katastrophe von Altamont mit den tödlichen Messerstichen der Hells Angels folgen musste, die diese Generation wieder in die Wirklichkeit führte.

Seeger und Baez bleiben politische Aktivisten
Während all dem aber machte Pete Seeger unerschütterlich weiter. Er schrieb Songs, protegierte Talente, leitete Singalongs an. Und das stets mit einer politischen Intention. Auf ihre Weise führte Joan Baez die Arbeit als Aktivistin und Musikerin in der großen Öffentlichkeit fort. Wie bezeichnend, dass Dylan und sie sich wenige Woche vor Newport trennten. Aber Dylan hatte beide verändert. Seeger akzeptierte die musikalische Ausdrucksform, auch wenn sie nicht die seine wurde, Baez stimmte sogar immer wieder sanfte Folk-Rock-Tönen an. Und ging mit Dylan 1975 sogar auf die rockig-rumpelnde Rolling Thunder Review, die ein allerletzter Abgesang auf die Sixties wurde. Da war Dylan – der lebende Widerspruch – wieder ganz engagiert.

Musikgeschichte verstehen, um Möglichkeiten für linke Politik zu beurteilen
Woodstock und Seeger stehen also für die alte und die neuere Linke in den 1960er Jahren. Während Seeger zwar persönlich als Symbol für ein linkes Amerika berühmt wurde, war er politisch marginalisiert. Die Generation Woodstock marschierte dagegen durch die Institutionen und verlor sich in ihnen, ein Teil begünstigte gar die neoliberalen Veränderungen der Gesellschaft. Beide, Seeger und die Generation „Woodstock“, sind mittlerweile Geschichte, doch sich mit ihrem Werdegang und ihrer Wirkung zu beschäftigen ist nicht nur ein spannendes Stück Musikgeschichte, sondern auch eine lohnende Auseinandersetzung, will man die Möglichkeiten linker Politik in den USA heute auf der Basis der Analyse früherer politisch-historischer Entwicklungen ausloten. Das ist letztendlich die kulturelle und politische Dimension und der Erkenntniswert der Gegenüberstellung dieser zwei Phänomene.

Jetzt, in den Zeiten von Trump, gibt es eine neue, junge Linke in den USA. Eines ihrer Gesichter ist Alexandria Ocasio-Cortez. Wie diese junge Linke im Verhältnis zu alter und alter neuer Linken in der USA steht, und welche Möglichkeiten zu einer linken Politik sie eröffnet- auch dies wird daher Thema in meinen Veranstaltungen im nächsten Jahr sein.

Bob Dylan und Pete Seeger

5. Februar 2014

Leider spät erst komme ich dazu, hier ein paar Zeilen zu Pete Seegers Tod zu schreiben. Auf sein Ableben und seine Bedeutung für die Musik bin ich ja schon an anderer Stele eingegangen. Nun aber noch ein paar Worte zum Verhältnis von Dylan zu Seeger.

Ich denke, beide wussten um die Bedeutung des anderen, auch wenn sie sich künstlerisch so sehr voneinander entfernt hatten. Dylan steht für große Songpoesie, für Doppelbödigkeit und Fiktion, für Perspektivenwechsel, für das Spiel mit Erwartungen und Mythen. Seeger steht für das politisch engagierte Lied, für Authentizität, für den Künstler, der sich mit dem Publikum eins macht. Beide Konzepte sind legitim, sind notwendig und können Großes entstehen lassen.

Allerdings ist Dylan dadurch, dass er die Kanäle und Mechanismen des Musikbusiness nutzt, der mit der größeren Reichweite. Aber er ist auch der in diesem Musikbusiness, der die größte Autonomie und die größten Freiräume besitzt. Weil er sich nie – oder nur ganz selten – den Erwartungen von Plattenfirmen und Publikum beugte. Dylan ist der autonome Freigeist, der den Widerspruchsgeist beflügelt. Seeger war der musikalische Aktivist, der mit den Menschen gegen Unrecht kämpfte.

Beide waren und sind Stachel im Fleisch der Unterhaltungsindustrie. Hört man sich einfach mal die Formatradiosender an: Kein Dylan, kein Seeger weit und breit. Wenn sie gespielt werden, dann in unterirdischen Coverversionen von Peter Maffay oder Chris de Burgh. Denn Dylan und Seeger – so unterschiedlich sie auch sind – im Freigeist und im Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse – bleiben sie, auch wenn sie Teil davon sind, immer auch Sand im Getriebe der Unterhaltungsindustrie.

Und deswegen sind Sie beide auch große Künstler: Weil sie verstören.

Mein kurzer Nachruf auf Country.de:

http://www.country.de/2014/01/28/pete-seeger-ist-tot/