Captainsdinner mit Uncle Bob

Gut gelaunt, zärtlich und mit Tiefgang: Bob Dylans fantastisches Konzert in Bad Mergentheim

Bob Dylans Mannheimer Konzert im Herbst letzten Jahres wurde von uns als Kontrastprogramm zu Mark Knopfler gewertet. Denn während uns der erste Teil des Konzert-Doppelpacks ins Nirwana zupfte, pickte und perlte, spielte der damals 70jährige Altmeister ein krachiges Konzert mit Punk-Attitüde.

 Dass bei Bob Dylan keine Tour gleich und kein Konzert so ist wie das andere, machte uns nun vor wenigen Tagen Dylans Auftritt im hübschen Städtchen Bad Mergentheim in sehr angenehmer Weise deutlich. Denn der 71jährige Dylan spielte ein facettenreiches Konzert mit viel guter Laune, einigen zärtlichen Tönen und voll von tiefem Verständnis für seine Songs, kurzum: Er schenkte dem Publikum an diesem Abend eine überragende Performance seiner Musik. Dylan begann auf Nummer sicher mit „Leopard Skin Pill Box Hat“ hinterm Keyboard, doch schon nach wenigen Takten war klar, dass dieser Dylan heute nicht seinen Autopiloten eingestellt hatte, sondern jeden Song so spielte, als er hätte er ihn eben erst entdeckt.

Bei „To Ramona“ nimmt er dann Platz am Flügel, den er fortan nur für wenige mit Mundharmonika bewaffnete Ausflüge zur Bühnemitte verlassen sollte. Zu einer Gitarre griff Bob Dylan an diesem Abend nicht ein einziges Mal. Gekleidet wie ein Kreuzfahrt-Rentner beim Captainsdinner, ließ er nie einen Zweifel, wer der Kapitän an Bord ist. So entwickelte sich der erste Teil des Konzerts zu einer wahrhaft lustigen Seefahrt. Selten hat man ihm soviel gute Laune versprühen sehen. Und dabei gar nicht die unzähligen Male mitgerechnet, bei dem er an seinem breiten Grinsen nur seine Band teilhaben ließ. Dem Publikum schenkte er immer wieder ein Lächeln und posierte oftmals eine Sekunde, als wenn er Gelegenheit zu den eigentlich verbotenen Foto-Schnappschüssen geben wollte. Verbote, die in Zeiten von Fotohandys eigentlich eher trollig und wohl einfach nur als spielerische Rituale anzusehen sind.

So spielte er sich leichtfüßig u.a. durch „Things Have Changed“, „Tangled Up In Blue“ und „Honest With Me“. Der stärkste Teil und tiefste des Konzerts begann dann mit einer wunderschönen Version von „Sugar Baby“. Ihm folgte das im Amerika der Naturkatastrohen immer aktuellen „The Levee’s Gonna Break“. Eine zärtlich hingehauchte Version von „Make You Feel My Love“ zeigte Dylan als Romantiker am Klavier. Aus „High Water“ wurde dann eine Art „Partipication Song“, als die Zuschauer Dylans mehrmals wiederholten dreitönigen Mundharmonikasoli stets mit einem Lauten „Huuuuuuuuh!“ antworteten. Völlig irre! Wunderbare Versionen von „Desolation Row“ und „Highway 61“ folgten. Dabei war Dylan immer bemüht, eingängige Klavierfiguren zu finden, mit der er die Melodie variieren und umspielen konnte. Der Höhepunkt des Konzerts war dann „Love Sick“. Den Song hatte ich bislang sowohl auf Platte, als auch im Konzert eher als eindimensional dunklen Liebesschmerz-Song wahrgenommen. Dylans Klavierversion vom 6. Juli in Bad Mergentheim war jedoch mehrschichtiger. Er zeigte nämlich auch noch die weiteren Dimensionen von Liebeskummer auf. Nicht nur traurig, sondern auch wütend, begehrend, eifersüchtig und lasziv äußert sich der Herzschmerz.

Ein faszinierender Vortrag. Nun bog er schon in die Zielgerade, machte auf hohem Niveau weiter, wirkte jedoch hier und da scheinbar ein bisschen zurückgenommen. Gesünder und weniger anstrengend beim vom „Möchtegern-Dylan-Stellvertreter“ Niedecken jüngst höchst wichtig ausgeplapperten Rückenleiden wäre das Stehen. Unübersehbar kämpfte er mit der richtigen Sitzposition am Klavier und steht zum Tastenanschlag auch immer mal wieder auf. Überhaupt: Wie Dylan während großer Teile des Konzerts seine Beine in 90 Grad zum Publikum vom Oberkörper abwinkelt, um sich dann immer wieder in Gänze zum Publikum zu drehen und einige Takte einhändig zu spielen, das hat komödiantisches Niveau und macht klar, warum Dylan auch immer wieder mit Chaplin verglichen wurde.

Mit „Like A Rolling Stone“, „All Along The Watchtower“ und „Blowin’ In The Wind“, mit den absoluten Klassikern also, beendet er das Konzert. Bob Dylan 2012 in Deutschland hat richtig Spaß gemacht, es waren einige seiner besten Konzerte. Hoffentlich müssen wir bis zur neuen Platte nicht allzu lange warten.

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2 Antworten to “Captainsdinner mit Uncle Bob”

  1. Reinhard Huchthausen Says:

    Ich war auch in Bad Mergentheim, die Beschreibung hier trifft zu. Es war ein wunderbares Konzert, Bob Dylan in Bestform, angenehme Umgebung, gutes Wetter, nettes Publikum (zumindest in meiner Nähe). Dieser Mann begleitet mein Leben seit 50 Jahren, was kann man mehr sagen.

  2. ElPaso Says:

    Eine neue Platte erscheint diesen Herbst.

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