Bessie Smith sang nie in der Ole Opry

RhiannonRhiannon Giddens steht für eine Neuentdeckung der schwarzen Wurzeln der Countrymusik

Sie ist so etwas wie die schwarze Musikerentdeckung im Amerika dieser Tage: Rhiannon Giddens. Denn sie erinnert an die schwarzen Wurzeln der Countrymusik. Singer-Songwriter, Rock und Countrymusiker sind weiß, Blues- und Soulsänger in der Regel schwarz – bei den Popstars geht’s bunter zu. Die letzte, die das in Frage stellte, war vor gut 25 Jahren die schwarze Folksängerin Tracy Chapman. Sie veröffentlicht zwar heute immer wieder mal was, aber für irgendetwas prägend zu sein, gelang ihr nicht.

Beim großen Konzert rund um die Musik zum Film „Inside Llewyn Davis“, da brachte es Impresario und Produzent T Bone Burnett fertig, nicht nur mit jungen Künstlern den Graben zwischen Folk und Country zuzuschütten, sondern mit dem denkwürdigen Auftritt von Rhiannon Giddens daran zu erinnern, dass schwarze Rootsmusik viel facettenreicher ist als gemeinhin angenommen, und nicht nur Blues und Jazz, sondern eben auch Country und Old Time umfasst. Bevor die Industrie zwecks Vermarktungsmöglichkeit die Musik in weiße und schwarze Musik aufteilte, gab es vielfältige Verbindungen und Befruchtungen zwischen den Genres und zwischen den Musikern unterschiedlicher Hautfarbe.

Und doch gebührt die Ehre des historischen Augenblicks der oftmals als Hort des konservativen Countrymainstreams verschrienen Grand Ole Opry. Als Rhiannon und ihre Mitstreiter der schwarzen Old Time Band „Carolina Chocolate Drops“ 2011 dort erstmals auf der Bühne standen, dann war das im Grunde eine Wiederaneignung. Denn obwohl der schwarze Countrystar Charley Pride 1993 sogar Member der Grand Ole Opry wurde, blieb doch die Entlassung des schwarzen Gründungsmitgliedes und Old Time Musikers DeFord Bailey 1941 so etwas wie der Verlust der Unschuld dieser Institution der ruralen amerikanischen Volksmusik. Es waren die Hochzeiten der Rassentrennung im amerikanischen Süden und das Business meinte, die Countrymusik sollte weiß sein.

Mit dem Auftritt der Carolina Chocolate Drops, die im „Brauchtumspfleger“ und „Spiritus Rector“ der Countrymusik, Marty Stuart, einen gewichtigen Mentor hatte, war eine Art „Wiedergutmachung“ geleistet worden. Endgültig war die schwarze Rückeroberung der Opry dann, als der schwarze Mainstream-Countrysänger Darius Rucker 2012 als Mitglied aufgenommen wurde. Wobei wohlweislich Rucker weder mit Musik noch mit Texten sich vom derzeitigen weißen Nashville-Sound abhebt. Alleine die Stimme lässt – im Gegensatz zu Charley Pride – ahnen, dass hier ein Afro-Amerikaner singt. Das Rucker wiederum seinen größten Erfolg mit der Adaptierung eines alten Hits der weißen Old Time Band „Old Crow Medicine-Show“, „Wagon Wheel“, hatte, die diese zusammen mit dem so manchem US-Countryfreund immer noch suspekten Bob Dylan geschrieben haben, ist dann ein besonders feiner Zug der Ironie.

Doch zurück zu Rhiannon Giddens. Sie steht in diesem Zusammenhang für nicht weniger als die Wiederentdeckung der Frauenfigur in der ruralen schwarzen Volksmusik. Sie erinnert an Bessie Smith oder Billie Holiday, die den Blues singen konnten, weil sie ihn lebten. Bessie kam aus Tennessee, Rhiannon aus North-Carolina. Beide sind Kinder des Südens. Beide sind schwarz. Und doch gibt es einen Unterschied. Während Bessie eine Instinktsängerin war, hat Rhiannon eine klassische Gesangsausbildung erfahren und sich dann der Volksmusik des Südens akademisch angenähert. Und zwar über Old Time Music-Workshops an der Uni. Doch bald hatte sie diese Musik verinnerlicht, sich in sie verliebt, und mit den Carolina Chocolate Drops eine schwarze Country- und Old Time Band gegründet, die für Furore sorgte. Denn die hat neben alten schwarzen Songs genauso auch „Jackson“ von Johnny Cash und June Carter im Programm!

Anfang nächsten Jahres veröffentlicht Rhiannon Giddens nun ihr erstes Solo-Album. Es wird „Tomorrow Is My Turn“ heißen und ist ebenfalls der Ausdruck von Rhiannons Verständnis der amerikanischen Rootsmusic. Denn es enthält Songs von Elizabeth Cotton (Shake Sugaree) und Sister Rosetta Tharpe (Up Above My Head) ebenso wie Werke von Dolly Parton (Don’t Let It Trouble Your Mind) und Hank Cochran (She’s Got You). Man darf gespannt sein auf dieses Album und auf den weiteren Verlauf von Rhiannon Giddens’ Karriere. Das sie erfolgreich sein möge, ist nicht nur ihr persönlich zu wünschen.

Und hier eine besonders schöne Performance von Rhiannon:

 

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